Thermodynamische Untersuchung der Kavitation in Bremsflüssigkeiten und deren numerische Simulation
Laufzeit: 01.12.2000 - 01.03.2005
Partner: - TRW Automotive GmbH Koblenz (Dr. Thomas Pütz) - Institut für Strömungsmechanik und hydraulische Strömungsmaschinen (IHS) der Universität Stuttgart (Prof.Dr.-Ing. Göde)
Förderung durch: TRW Automotive GmbH Koblenz
Projektmittel (€): 120
Kurzfassung
Zur Verzögerung des Fahrzeugs bei gleichzeitiger Vermeidung von Schlupf zwischen Reifen und Fahrbahn werden Bremsregelsysteme wie das Anti-Blockier-System (ABS) eingesetzt, das kurze elektrische Schaltzeiten von Magnetventilen zum gesteuerten Druckauf- und abbau an der Bremsscheibe nutzt. Als Folge der anliegenden Drücke in Ventilsitzen treten Strömungsgeschwindigkeiten bis zu 115 m/s auf mit der unvermeidbaren Folge von schädlichen Kavitationserscheinungen bis hin zu Komplettausfällen von...Zur Verzögerung des Fahrzeugs bei gleichzeitiger Vermeidung von Schlupf zwischen Reifen und Fahrbahn werden Bremsregelsysteme wie das Anti-Blockier-System (ABS) eingesetzt, das kurze elektrische Schaltzeiten von Magnetventilen zum gesteuerten Druckauf- und abbau an der Bremsscheibe nutzt. Als Folge der anliegenden Drücke in Ventilsitzen treten Strömungsgeschwindigkeiten bis zu 115 m/s auf mit der unvermeidbaren Folge von schädlichen Kavitationserscheinungen bis hin zu Komplettausfällen von Bremssystemen. Das Risiko wird durch Produktentwicklungen mit kürzeren Regelzeiten, kompakteren Bauweisen und gleichzeitig verbessertem Regelkomfort erhöht. Daher besteht ein methodisches Langfristziel, bei Neuentwicklungen die Ausprägung und den Einfluss der Kavitation auf den Volumendurchsatz durch die kritischen Bauteilquerschnitte berechnen und vor dem Prototypenbau bereits in der Konstruktionsphase durch Simulationsrechnungen vorhersagen und beeinflussen zu können. Eine erwerbbare Simulationssoftware, welche die Eigenschaften einer Bremsflüssigkeit und eines Bremssystems berücksichtigt, gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht. Bestehende Modelle berücksichtigen nicht die Verbindung von metastabiler Beschreibung der Blasenentstehung und weiteres Anwachsen der Blasen. Darüber hinaus ist selbst bei diesen Modellen aufgrund von oft zu großer Parametervielfalt der Aufwand zur Durchführung einer Simulation mit den zusätzlich langen Rechenzeiten von in der Regel mehreren Tagen für industrielle Anwendungen nicht geeignet.
Das neue Mixture-Kugelschalen-Cluster-Modell (MKSC-Modell) berücksichtigt die Auswertung eigener experimenteller Untersuchungen an Hydraulan 404, wonach im Gleichgewichtszustand Kavitation unterhalb von 0.68 bar infolge gelöster Luft auftritt. Koaleszenz- und Zerfallsvorgänge können ausgeschlossen werden.
Auf den typischen Zeitskalen des physikalischen Vorgangs können sich bei den untersuchten Bremsfällen im Magnetschaltventil keine Gleichgewichtsgrößenverteilungen der Kavitationsblasen einstellen. Daher war es notwendig, die Gleichungen zum Transport von Blasen neu zu formulieren. Im Unterschied zu bisher bekannten Modellen, enthält das MKSC-Modell erstmals einen Relaxationsparameter zur Erfassung der Verzögerung infolge metastabiler Zustände verbunden mit dem anschließenden Blasenwachstum mit Hilfe von Populationsbilanzen. Mit definierbaren Diffusionskoeffizienten können Ausdehnungsformen der entstandenen Kavitationswolke angepasst werden. Die Alterung wird über die Vorgabe eines minimalen Blasendurchmessers variierbar.
Über den Relaxationsparameter wird der Übergang von Mikrokeimen zu Makroblasen mathematisch mit Hilfe von Clustern formuliert. Der Relaxationsparameter erzwingt über den Ansatz von Übergangswahrscheinlichkeiten in der Modellrechnung kleinere Blasendurchmesser, als es der Gleichgewichtsthermodynamik entsprechen würde. Neben dem Relaxationsparameter bestimmt die aus der Chemie bekannte Aktivierungsenergie die Höhe der Übergangswahrscheinlichkeiten und entspricht in diesem Modell der spezifischen freien Enthalpie. Das weitere Anwachsen der Blasen wird durch die Formulierung von Blasenklassen ermöglicht.
Simulationsrechnungen wurden unter gleichen Anfangsbedingungen an einem Serien-Magnetschaltventil sowohl mit dem einfachen Mixture-Modell als auch mit dem MKSC-Modell als eigenprogrammierter Algorithmus in Fluent durchgeführt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Bei beiden Verfahren waren Druck- und Geschwindigkeitsverläufe vergleichbar, was bei Gültigkeit der analytischen Basis des MKSC-Modells erwartet werden musste, da der neue Algorithmus keine Rückkopplung auf den Druckverlauf vor Kavitationsbeginn zeigen durfte. Erwartungsgemäß errechnet das MKSC-Modell im Gegensatz zum einfachen Mixture-Modell Verzögerungen bei der Blasenentstehung. Die Rechnungen zum MKSC-Modell ließen sich im Gegensatz zum einfachen Mixture-Modell bis zu einem Gegendruck von 1 bar stabilisieren, während das einfache Mixture Modell unterhalb eines Gegendrucks von 3 bar bei der untersuchten Geometrie stets divergierte. Im Verlauf der Simulation des Ventils wurde das Modell hinsichtlich der Sensitivität und Stabilität der neuen Parameter ausgetestet.
Das neue Modell ist in der Lage in vertretbaren Rechenzeiten von in der Regel 15 min sinnvolle Ergebnisse zu liefern.
Mit dem vorgestellten Modell wurde gezeigt, dass es gelingen kann, ein physikalisch plausibles Modell bei vertretbaren Rechenzeiten zu generieren und zu verifizieren, das erstmals für Kavitationsrechnungen einschließlich der Berücksichtigung elementarer Einflüsse wie zeitverzögerte Ausgasung gelöster Gase in Bremssystemen und anschließendes Anwachsen in Blasenklassen einsetzbar ist. Die industrielle Nutzung für Auslegungsrechnungen und für die Nachrechnungen von Bauteilen sowie für kürzere angestrebte Regelzeiten ist nun in Reichweite.
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