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Konstruktionsmorphologie des Kauapparates und Ernährungsspezialisierungen bei pflanzenfressenden Säugetieren

Kurzfassung


In einem früheren DFG-Projekt (Schm 452/13) wurden Quantifizierungsmöglichkeiten für die funktionsmorphologische Untersuchung von Pflanzenfresser-Gebissen erarbeitet. Die dabei entwickelten Parameter lassen die Evolution von Nahrungsspezialisierungen in Pflanzenfresser-Gruppen im Detail verfolgen. In dem gegenwärtig laufenden Vorhaben werden nun die Beziehungen zwischen Nahrungsgewohnheiten und Gebissmerkmalen innerhalb der Gruppe der Arvicoliden analysiert. Die Gruppe eignet sich hierfür...In einem früheren DFG-Projekt (Schm 452/13) wurden Quantifizierungsmöglichkeiten für die funktionsmorphologische Untersuchung von Pflanzenfresser-Gebissen erarbeitet. Die dabei entwickelten Parameter lassen die Evolution von Nahrungsspezialisierungen in Pflanzenfresser-Gruppen im Detail verfolgen. In dem gegenwärtig laufenden Vorhaben werden nun die Beziehungen zwischen Nahrungsgewohnheiten und Gebissmerkmalen innerhalb der Gruppe der Arvicoliden analysiert. Die Gruppe eignet sich hierfür besonders gut, weil alle ihre Vertreter, als Abkömmlinge einer sehr jungen Radiation, in ihren Backenzähnen dasselbe Grundmuster aufweisen. Dieses wird, ohne seine charakteristische Eigenart zu verlieren, in verschiedene Evolutionslinien in unterschiedlicher Weise abgewandelt. Es ist davon auszugehen, dass diese Modifikationen einen adaptiven Hintergrund haben. In dem laufenden Projekt werden in einer ersten Stufe die Backenbezahnungen rezenter Arvicoliden mit unterschiedlicher Nahrung anhand der in dem Vorprojekt Schm 452/13 definierter Parameter Zerklüftungsgrad, Schmelzbandorientierung und Schmelzbanddicke beschrieben. Die sich ergebenden Beziehungen sollen dann in einer zweiten Stufe für die Ermittlung der Nahrungsanpassungen fossiler Arvicoliden genutzt werden.
Für die Charakterisierung der hochkronigen Backenbezahnungen mit horizontal angekauten Okklusionsflächen ist es möglich, zweidimensionale Beschreibungsparameter auf der Basis digitaler Messungen von Flächen und Konturlinien (Okklusionsflächen, Schmelzbänder) zu verwenden. Diese wurden im Lauf der Untersuchungen neu entwickelt. Es handelt sich um die folgenden Messgrößen:
Parameter D (Zerklüftungsgrad der Zahnmuster)
Parameter E/F (relative Schmelzbanddicke)
Parameter G (Orientierungsgrad der Schmelzbänder).

In den Untersuchungen wird deutlich, dass die Parameter D, G und E/F untereinander korreliert sind und offensichtlich auch mit den unterschiedlichen Nahrungsbevorzugungen der Arten in Zusammenhang stehen. Dies ließ sich sehr gut am Beispiel der Nagetiere aufzeigen. Eine Publikation dieser Ergebnisse ist in Vorbereitung. Die morphometrischen Parameter eignen sich nicht zuletzt auch sehr gut für die Untersuchung der durchwegs hochkronigen Arvicolidenarten.

Darüber hinaus ergeben sich beim Vergleich kleinwüchsiger und großwüchsiger Pflanzenfresser-Bezahnungen Hinweise dafür, dass der relative Wert des Parameters D vom Lebendgewicht der Arten abhängig ist. Er wird bei den großwüchsigen Gruppen im Lauf der Evolution erhöht und nimmt bei den kleinwüchsigen Gruppen ab. Dabei gibt es Pflanzenfressergruppen, die diesen Trend nicht mitmachen, wie z. B. die Wiederkäuer-Gruppe unter den Paarhufern (Tylopoda, Pecora). Dies scheint durch den primär gut optimierten Mustertyp der Backenzähne dieser Gruppe begründet zu sein. Hier und auch in anderen Beispielen sind noch eine Reihe von Fragen offen, die es künftig zu untersuchen gilt.

Eine andere, noch nicht näher studierte Erscheinung ist die relative "Makrodontie" oder "Mikrodontie" der Pflanzenfresser. Sie lässt sich als das Verhältnis von Okklusionsfläche der Zahnreihen insgesamt (FO) zur Grundfläche des Schädels (FS) quantifizieren. Der Makrodontie-Index FO/FS ist, wie erste Vergleiche ergaben, bei Grasfressern höher als bei Körner- und Wurzelfressern und hat damit ebenfalls funktionellen Hintergrund. Auch hier sind genauere Untersuchungen geplant.
In der laufenden Projektstufe zielt die Analyse auf die Beziehungen zwischen funktionellen Bezahnungs-Parametern und Nahrungswahl ab. Dabei werden die Arvicoliden als Untersuchungsgruppe gewählt, weil sie die besten Voraussetzungen liefern, um die teils sich abzeichnenden, teils vermuteten Zusammenhänge in quantifizierter Form herauszuarbeiten. Es handelt sich um eine artenreiche, ökologisch gut bekannte, in ihren Nahrungsgewohnheiten sehr diverse Gruppe. Ihre Vertreter sind durchwegs sehr hochkronig bis wurzellos hyposont, womit die oben genannten Parameter mit dem Alter der Tiere, d. h. dem Abkauungsgrad der Zähne, nur wenig variieren. Dies erleichert es, bestehende Unterschiede zwischen den Arten signifikant darzustellen. Ein weiterer Vorteil der Arvicoliden besteht darin, dass sie, die fossilen Arten eingeschlossen (mit Ausnahme von Ondatra) einer sehr einheitlichen Größenklasse angehören und der oben angesprochene Faktor Lebendgewicht damit in der ersten Projektstufe weitgehend vernachlässigt werden kann.

Entsprechend der Fragestellung ist es zunächst das Ziel, die Beziehungen zwischen Bezahnungsparametern einerseits und den Nahrungsgewohnheiten und Lebensweise andererseits bei den rezenten Arvicolidenarten zu untersuchen. Um ein repräsentatives Bild zu erhalten, genügt es dabei, das Hauptgewicht auf die eurasiatischen Arten zu legen. Untersucht werden die Arten der Gattungen Arvicola, Chlethrionomys, Dicrostonyx, Ellobius, Lemmus, Microtus, Myopus und Ondatra.

Im Weiteren geht es darum, die gewonnenen Gesichtspunkte auf die fossilen Arten anzuwenden. Die plio- und pleistozänen Arvicoliden sind viel zu artenreich um hier Vollständikeit anstreben zu wollen. Im Vordergrund stehen daher Gattungen, die entweder eine besondere phylogenetische Position einnehmen, wie z. B. die Vorläuferform Mimomys, oder als Repräsentanten verschiedener Entwicklungstrends angesehen werden können, wie z. B. Hungaromys, Allophaiomys, Pliomys oder Lagarus.
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Projektteam


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