Sag mir wo Du Dich rumtreibst, ich sag Dir wer Du bist. Eine Analyse sozialstruktureller Bewegungsprofile in Koblenz
Laufzeit: 24.10.2016 - 22.07.2017
Kurzfassung
Im Rahmen eines zweisemestrigen Lehrforschungsprojekts sollen zwei soziologische Ansätze methodisch und analytische miteinander verbunden werden. Aus stadtsoziologischen Forschungen ist bekannt, dass Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus innerhalb eines städtischen Raums in geographisch verschiedenen Regionen wohnen. Unter dem Stichwort ,Segregation’ – seit einigen Jahren auch ,Gentrifizierung’ – finden sich zahlreiche Studien, die dieses Phänomen aus analytischer und historisch...Im Rahmen eines zweisemestrigen Lehrforschungsprojekts sollen zwei soziologische Ansätze methodisch und analytische miteinander verbunden werden. Aus stadtsoziologischen Forschungen ist bekannt, dass Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus innerhalb eines städtischen Raums in geographisch verschiedenen Regionen wohnen. Unter dem Stichwort ,Segregation’ – seit einigen Jahren auch ,Gentrifizierung’ – finden sich zahlreiche Studien, die dieses Phänomen aus analytischer und historisch vergleichender Perspektive beleuchten. Aus kultursoziologischen Studien ist bekannt, dass sich Angehörige unterschiedlicher sozialer Gruppen auch im Hinblick auf feinere Unterschiede differenzieren lassen. So unterscheiden sie sich auch danach – meist aufgrund finanzieller Restriktionen –, welche Güter des alltäglichen Bedarfs sie konsumieren. Aber auch die ästhetische Kategorie des ,Schönen’ – oder anders ausgedrückt, der Geschmack – variiert zwischen Angehörigen unterschiedlicher sozialer und kultureller Gruppen.
Das Lehrforschungsprojekt nimmt Bezug auf diese empirischen und theoretischen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte und erweitert diese um die Dimension „Bewegung“ beziehungsweise „Movement“. Denn wenn sich Personen bestimmter sozialer Gruppen hinsichtlich ihres Wohnorts, ihrer Kleidung, ihrer Freizeitgestaltung und danach, wo sie die Güter ihres täglichen Bedarfs besorgen, unterscheiden, dann sollte sich dies auch in ihren räumlichen Bewegungen zeigen. Wir fragen also danach, ob sich Angehörige unterschiedlicher sozialer Gruppen danach unterscheiden lassen, wo sie sich innerhalb einer Stadt aufhalten und wie sie sich innerhalb einer Stadt bewegen. Der geographische Raum, der innerhalb des Forschungsprojektes Gegenstand der Analyse sein wird, ist das Stadtgebiet Koblenz. Hier gibt es – anders als in Großstädten wie Berlin oder Hamburg –, nur ein bedeutsames Zentrum, um das sich das gesamte Stadtgebiet rundherum strukturiert.
Gesellschaftspolitisch lässt sich diese Forschung in den Diskurs über die gesellschaftliche Folgen sozialer Differenzierungen einordnen. Als Extrembeispiel sei hier an die Ausschreitungen in den französischen Banlieus im Jahr 2005 erinnert. Das Beispiel zeigt, dass zu strake sozialräumliche Differenzierungen zu großen gesellschaftlichen Spannungen führen können. Denn wenn sich Menschen innerhalb ihres Alltags nicht mehr begegnen, da sie an anderen Orten wohnen, ihre Kinder in unterschiedliche Schulen schicken und sie auch ihre Freizeit an unterschiedlichen Orten verbringen, dann kann dies zu Fremdheit und schließlich zu Konflikten führen.
Nun treffen diese Zustände sicherlich nicht auf Koblenz zu, aber mit Hilfe einer solchen Analyse am Beispiel Koblenz kann aufgezeigt werden, ob es im städtischen Raum Orte der Begegnung gibt, ob diese Orte auch unabhängig von sozialstruktureller Zugehörigkeit besucht werden und wenn es solche Orte gibt, um welche speziellen Orte es sich dabei handelt.
Methodik
Mithilfe moderner Ortungsdienste, die integraler Bestandteil eines jeden Smartphones sind, wird die Bewegung einzelner Individuen mittlerweile ohne große Schwierigkeiten nachgezeichnet. So zeichnet beispielsweise „Google-Maps“ individuelle Bewegungen auf und stellt diese dem ,User’ als ,Download’ zur Verfügung. Darüber hinaus existieren andere sogenannte Applikationen die ebenfalls individuelle Bewegungsprofile aufzeichnen. Die so gewonnenen Daten statistisch aufzubereiten und in Abstimmung mit den jeweiligen sozio-demographischen Daten soziologisch auszuwerten – und so zumindest Teile der marktwirtschaftlichen Massenerhebung („Big Data“) auch für wissenschaftliche und sozialpolitisch relevante Fragestellungen fruchtbar zu machen –, sind die Ziele dieses Forschungsprojektes.
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