Der Einfluss der Kameraperspektive auf die Wirkung negativer Botschaften. Analyse von Echtzeitreaktionen auf Angriffe in TV-Duellen
Laufzeit: 01.01.2017 - 30.06.2019
Förderung durch: Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz im Rahmen der Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz
Kurzfassung
Die Forschung zur Wirkung negativer politischer Botschaften konzentriert sich vor allem auf das geschriebene oder gesprochene Wort (Nai & Walter, 2015) – visuelle Aspekte, insbesondere der politischen Kommunikation im Fernsehen sind weitgehend unbeachtet. Dies gilt auch für die Forschung zu TV-Debatten: „Ironically, with all the attention paid to the debates, television – the communication medium for most debates – has been overlooked“ (Pfau & Rang, 1991, S. 115).
Die Arbeiten von...Die Forschung zur Wirkung negativer politischer Botschaften konzentriert sich vor allem auf das geschriebene oder gesprochene Wort (Nai & Walter, 2015) – visuelle Aspekte, insbesondere der politischen Kommunikation im Fernsehen sind weitgehend unbeachtet. Dies gilt auch für die Forschung zu TV-Debatten: „Ironically, with all the attention paid to the debates, television – the communication medium for most debates – has been overlooked“ (Pfau & Rang, 1991, S. 115).
Die Arbeiten von Mutz (2007, 2015; Mutz & Reeves 2005) haben jedoch gezeigt, dass die medientechnische Aufbereitung, insbesondere bestimmte Kameraeinstellungen der Politikberichterstattung im Fernsehen, Wirkungen für die Bewertung von Politik und ihren zentralen Akteuren durch die Bürger hat. So konnte sie im Rahmen von Experimenten zeigen, dass die Darstellung von Politikern in Nahaufnahme zu einer erhöhten physiologischen Erregung von Rezipienten führt. Diese wird weiter verstärkt, wenn sich Politiker attackieren und in Diskussionen soziale Normen der Konversation brechen („incivility“). Aufbauend darauf demonstriert Mutz, dass die Interaktion von Kameraeinstellung und unangemessene Politikeräußerungen negative Konsequenzen für die Kandidatenbewertung und die wahrgenommene Legitimität von Meinungen hat, die den eigenen politischen Einstellungen widersprechen. Diese Effekte der Nahaufnahme werden durch ein (mediales) „Eindringen“ des gezeigten politischen Akteurs in den sozialen Raum des Rezipienten bzw. einer Verletzung der interpersonalen Distanz und einer damit verbundenen Verstärkung vorhandener Einstellungen und Evaluationen des Politikers oder der Politikerin erklärt.
Während die experimentelle Vorgehensweise die Wirkungen und Mechanismen nachweisen konnte, hat sie doch einige Nachteile. Die Übertragung der Annahmen und Wirkungen zur Kameraeinstellungen auf realweltliche Stimuli blieb bisher aus, ebenso wurde mit der Hautleitfähigkeit ein relativ basales und invasives Verfahren während der Medienrezeption genutzt, welches den Rezeptionsprozess beeinflusst haben könnte.
Aufbauend auf diese Ergebnisse soll das beantragte Projekt die Wirkung von Kameraeinstellung und Negativität von Politikern systematisch mit realem Stimulusmaterial für Deutschland untersuchen. Datengrundlage sind dabei einerseits Inhaltsanalysen von an TV-Duellen teilnehmenden Kandidaten, die bereits im KoMePol-Projekt „Kandidatenstrategien in TV-Duellen“ durchgeführt wurden. Aus diesem Projekt liegen detaillierte Informationen zur (verbal geäußerten) Negativität von Kandidaten sowie der Struktur solcher Aussagen vor (etwa im Hinblick auf den Fokus eines Angriffs, den thematischen Kontext einer Attacke oder unangemessene Äußerungen). Ergänzt werden müsste die Codierung der Kameraeinstellungen. Für die Kanzlerduelle 2005, 2009 und 2013 sowie für das TV-Duell 2016 in Rheinland-Pfalz liegen darüber hinaus mittels der Drehreglertechnik gesammelte Real-Time-Response-Daten vor. Diese eignen sich in besonderer Weise zur Messung des Verstärkungseffektes von Nahaufnahmen; mit Hilfe der Daten sind wir also über die bisherigen Arbeiten hinaus in der Lage, die Wirkungen auf Politikerbewertungen in Echtzeit zu messen. Wir gehen davon aus, dass es zu einem TV-Duell im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 kommen wird. Der bestehende Datenbestand soll deshalb um diese Debatte erweitert werden.
Sollten die Ergebnisse aus den experimentellen Untersuchungen von Mutz (2007, 2015) zutreffen müssten Nahaufnahmen zu stärkeren Echtzeitreaktionen führen als wenn Politiker aus einer größeren Distanz dargestellt werden. Diese Effekte sollten sich verstärken, wenn Politiker ihren Gegner attackieren – vor allem dann, wenn der Angriff unangemessen ist. Diese Hypothese soll im Rahmen eines ersten Datenanalysepakets untersucht werden. Darüberhinaus stellen sich drei weitere Fragen: Erstens, gibt es neben der Unangemessenheit eines Angriffs weitere Eigenschaften wie etwa der Fokus einer Attacke (sachlich vs. auf den Charakter des Gegners bezogen) oder das angesprochene Thema, die mit der Kameraführung interagieren (Datenanalysepaket II)? Zweitens, sind die beobachteten Beziehungen für alle Wählergruppen gleich? Oder gibt es moderierende Faktoren wie z.B. die Parteiidentifikation oder Persönlichkeitseigenschaften wie Extraversion, die das Zusammenspiel von Kameraeinstellung und Debattenstrategie abschwächen oder verstärken (Datenanalysepaket III)? Drittens, welche Wirkungen haben Sequenzen, die sich durch eine hohe visuelle Präsenz und durch eine aggressive verbale Kommunikation der Kandidaten auszeichnen, auf nach einer Debatte erhobene wahrgenommenen Eigenschaften von Politikern (z.B. Vertrauenswürdigkeit) sowie politische Einstellung (Datenanalysepaket IV)?» weiterlesen» einklappen
Projektteam
- Lukas Otto
- ehemalige/r Mitarbeiter/in
(Institut für Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik)