Jung sein im Westerwald. Studie zur Lebens- und Freizeitsituation junger Menschen im Westerwaldkreis.
Laufzeit: 01.01.1999 - 31.12.2000
Partner: Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt Westerwald e. V.
Kurzfassung
In den bekannten Jugenduntersuchungen wird die spezifische Situation Jugendlicher "auf dem Lande" wenig beleuchtet. Eine Projektgruppe der Universität Koblenz-Landau hat im Auftrag des AWO-Kreisverbandes Westerwald e.V. die Lebens und Freizeitsituation von Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren in einem rheinland-pfälzischen Landkreis untersucht und Anfang 2001 die Studie "Jung sein im Westerwald - Lebens- und Freizeitsituation junger Menschen im Westerwaldkreis" vorgelegt. Soweit im...In den bekannten Jugenduntersuchungen wird die spezifische Situation Jugendlicher "auf dem Lande" wenig beleuchtet. Eine Projektgruppe der Universität Koblenz-Landau hat im Auftrag des AWO-Kreisverbandes Westerwald e.V. die Lebens und Freizeitsituation von Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren in einem rheinland-pfälzischen Landkreis untersucht und Anfang 2001 die Studie "Jung sein im Westerwald - Lebens- und Freizeitsituation junger Menschen im Westerwaldkreis" vorgelegt. Soweit im Vergleich mit anderen Jugendstudien (z.B. 13. Shell-Studie 2000) erkennbar, sind die Vorstellungen über Familie, Freizeit und Freunde, aber auch die Urteile über Gewalt und Drogen sowie die Einstellungen zu Ausländerfragen und Politik unter den Jugendlichen Westerwaldkreis nicht unterschiedlich zu denen junger Menschen aus städtischen Regionen oder anderen Bundesländern. Im Umkehrschluss gelten die hier vorfindlichen Probleme ebenfalls für den Westerwald: Gewalterfahrungen, Drogengefährdungen, Zukunftsängste und teilweise fremdenfeindliche Einstellungen gibt es auch in dieser ländlichen Region. Soziale Bindungen und Kontakte am Wohnort sind von großer Bedeutung: Die wichtigsten Lebensthemen aller befragten Jugendlichen sind Freundschaften (96%) Familie (89%) und Partnerschaft (74%). Jugendliche, die nicht in Deutschland geboren sind, bewerten die Familie mit 93% noch höher als deutsche Jugendliche, teilen aber deren Tendenz, Freundschaften wichtiger als die Familie zu beurteilen. Deutlich geschlechtsdifferenziert - und unabhängig vom Herkunftsland - rangiert die Bedeutung von Schule und Arbeit (Mädchen 73%; Jungen 55%). Umweltthemen (42%) beschäftigen Jugendliche mehr als Politik 10 % oder Religion (12%). Von den im Ausland geborenen Jugendlichen wird Religion jedoch fast doppelt so hoch bewertet (22%). Trotz der engen Familienbezüge sind die Eltern nur für 25% der Befragten Ansprechpartner im Falle von Alkohol- oder Drogenproblemen. 75% geben an, keine Hilfs- oder Beratungsangebote zu kennen - alarmierende Zahlen angesichts der hohen Gefährdung durch häufige Drogenkontakte (35%) und Alkohol, den 13% der männlichen und 3% der weiblichen Jugendlichen nach eigenen Aussagen täglich (!) trinken. Präventions- und Beratungsbedarf zeigen die Aussagen der Jugendlichen auch im Bezug auf Gewaltbreitschaft und Gewalterfahrungen: Denjenigen, die tätliche Angriffe (40%), Bedrohung (43%) und Beschädigung fremden Eigentums (49%) nur "mittelmäßig schlimm" finden, fehlen Möglichkeiten, andere - sozial verträgliche - Einstellungen zu erlernen. Die große Zahl der Jungen und Mädchen, die Angst vor gewalttätgen Eltern äußern (78%) und sich von Körperverletzung (73%) und sexueller Belästigung (72%) bedroht fühlen benötigen ein angemessenes Hilfeangebot. Auch das Verhältnis zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen bedarf gezielter Unterstützung und Förderung, damit außerschulische Kontakte intensiviert und vorhandene Ablehungshaltungen oder Desinteresse abgebaut werden können: 2/3 der befragten deutschen Jugendlichen stimmten dem Satz "Ich lerne gerne Menschen aus fremden Kulturen kennen" nicht zu. Die Relevanz cliquenbezogener Angebote für Jugendliche zeigen die Antworten in der Befragung im bezug auf Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft: 37% der deutschen Jungen und 24% der deutschen Mädchen geben an, nur dann Probleme mit ausländischen Jugendlichen zu haben, wenn diese in Cliquen auftreten. Das heißt, dass sich Schwierigkeiten zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen wie auch - unabhängig von der Nationalität der Jugendlichen - in der Begründung körperlicher Auseinandersetzungen (48%) generell unter Bedingungen der Cliquenzugehörigkeit verschärfen und hier entsprechend ein erheblicher, aber in der Situation von Mädchen und Jungen signifikant verschiedener, "Demokratisierungsbedarf" durch qualifizierte Jugendarbeit besteht. Die Bereitschaft zur Beteiligung an demokratischem Prozessen in eigener Sache ist entgegen den Einschätzungen der politischen Jugendexperten erstaunlich hoch: Fast 57% der befragten Jugendlichen äußern Interesse an einem Diskussionsforum zur Sammlung von Ideen für die Verbesserung der Jugendfreizeitsituation in ihrem Landkreis und 64% würden sofort in einer Jugendgruppe im Wohnort verantwortlich an der Gestaltung von Freizeitaktivitäten teilnehmen. Jugendliche auf dem Land sind gegenüber jungen Menschen in der Stadt mehrfach benachteiligt: Die unzureichende Anzahl der zugänglichen und gestaltbaren Treff- und Erlebnisräume verhindert wichtige Erfahrungen im jugendlichen Entwicklungsprozess. 55% haben an ihrem Wohnort keine Räumlichkeiten zur eigenen Nutzung zur Verfügung. 41% der Jugendlichen, denen am Wohnort Jugendräume zur Verfügung stehen bewerten die Nutzbarkeit dieser Räume als mangelhaft oder ungenügend. Der Versuch, diesen Mangel durch erhöhte Mobilitätsbereitschaft auszugleichen, kann nur begrenzt gelingen: Mobilität ist mit Kosten und sozialen Anpassungsleistungen (im Positiven wie im Negativen) verbunden, die wiederum Einfluss auf die persönliche Entwicklung der Jugendlichen haben. Ohnehin zur Mobilität gezwungen, deuten erstaunlich viele Jugendliche (1/3 der Befragten) diese Lebensphase als vorübergehend und planen ihren Wegzug aus den Wohnorten - also aus den zuvor als außerordentlich wichtig benannten sozialen Zusammenhängen. Sie nehmen den Verlust sozialer Beziehungen in Kauf und sehen die biografische Entwicklungsphase Jugend eher als eine Wartezeit auf bessere Lebensbedingungen.» weiterlesen» einklappen