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Dolmetscher als literarische Figuren : von Identitätsverlust, Dilettantismus und Verrat

München: Meidenbauer 2008 535 S.

Erscheinungsjahr: 2008

ISBN/ISSN: 978-3-89975-117-8

Publikationstyp: Buch (Habilitation)

Sprache: Deutsch

GeprüftBibliothek

Inhaltszusammenfassung


Dolmetscher: Brückenbauer, Zeitzeuge, Sprachakrobat mit Erfolg und Ansehen und Zugang zu den Mächtigen der Welt?? oder Verräter, Papagei, Sprachautomat? Auffällig in den Darstellungen des Dolmetschers ist eine merkwürdige Ambivalenz, eine Polarisierung zwischen Anerkennung und Bewunderung auf der einen und Verachtung und Misstrauen auf der anderen Seite. Dolmetscher als literarische Figuren ist der Titel einer dolmetschwissenschaftlichen Studie zur Imagologie des Dolmetschers und des Dolmet...Dolmetscher: Brückenbauer, Zeitzeuge, Sprachakrobat mit Erfolg und Ansehen und Zugang zu den Mächtigen der Welt?? oder Verräter, Papagei, Sprachautomat? Auffällig in den Darstellungen des Dolmetschers ist eine merkwürdige Ambivalenz, eine Polarisierung zwischen Anerkennung und Bewunderung auf der einen und Verachtung und Misstrauen auf der anderen Seite. Dolmetscher als literarische Figuren ist der Titel einer dolmetschwissenschaftlichen Studie zur Imagologie des Dolmetschers und des Dolmetschens auf der Grundlage literarischer Texte (Andres 2007), in der dem oben beschriebenen Phänomen nachgegangen und versucht wird, Antworten auf Fragen zu finden wie: Welches Bild wird in den literarischen Texten vom Dolmetscher und Dolmetschen gezeichnet? Warum hat die Figur des Dolmetschers Eingang in die Werke gefunden und welcher metaphorische Gehalt kommt ihr zu? Gibt es in den Darstellungen der Dolmetscherfiguren Gemeinsamkeiten, Stereotype, Klischeehaftigkeit? Die behandelten Werke stammen ausschließlich aus der zweiten Hälfte des 20. sowie aus dem 21. Jahrhundert. Die getroffene Auswahl umfasst neben Romanen und Erzählungen literarische Texte aus den Bereichen Science Fiction, Jugendliteratur, Drama. In der Habilitationsschrift wird von der Vermutung ausgegangen, dass zwischen dem in literarischen Texten gezeichneten Bild des Dolmetschers und dem historisch tradierten Bild eine Korrelation besteht, deshalb befasst sich die Autorin zunächst mit der Analyse geschichtlicher Quellen, in denen über Dolmetscher und Dolmetschen berichtet wurde. Diese Analyse zeigte eine erstaunliche Homogenität in der Darstellung des Dolmetschers. Zur breiten Palette von typisierenden Beiwörtern, die dem Dolmetscher in der historiographischen Darstellung zugeordnet werden können, gehören ,korrupt?, ,parteilich?, ,machtbesessen?, ,unzuverlässig?, ,egoistisch?, ,unmoralisch. Das Stereotyp vom Dolmetscher als potentiellem Verräter zieht sich wie ein roter Faden durch die geschichtlichen Texte. Die Analyse von insgesamt 28 literarischen Texten zeigt, dass Wesenszüge und Verhaltensweisen, die sich bereits in den geschichtlichen Texten manifestiert haben, auch in der Literatur ihren Niederschlag finden. Überkommene Überzeugungen perpetuieren sich in den literarischen Werken, das Bild in der Literatur ist ähnlich homogen und korrespondiert weitestgehend mit dem in der Geschichte. Es ist jedoch komplexer. Für die Autoren, die bis auf wenige Ausnahmen, alle Erfahrungen als Übersetzer oder Dolmetscher haben, fungiert die Figur des Dolmetschers als Kollektivmetapher, um sprach- und/oder identitätsbezogene Thematiken zu behandeln. In Texten mit Gesprächsdolmetsch- und Gerichtsdolmetschsituationen ergab die Analyse, dass sich die Dolmetscherfigur aufgrund ihrer Herkunft, ihres Werdegangs und/oder ihres Bilingualismus in einer ständigen ?Dazwischenposition? befindet. An der Dolmetscherfigur zerren zwei Kulturen und Sprachen, beide haben Einfluss auf ihr Dasein. Es gelingt ihr nicht, sie zusammenzuführen oder sich beiden gleichermaßen zugehörig zu fühlen. In der Literatur spielt die Zerrissenheits- und Ich-Verlustproblematik eine große Rolle, vor allem beim Simultandolmetschen. Dieses hat in der literarischen Darstellung einen besonders negativen Einfluss auf die Identität der Dolmetscherfiguren. Simultandolmetscher in der Literatur leiden an einer Deformation der Persönlichkeit, die bis zum völligen Identitätsverlust gehen kann. Insgesamt wird in den literarischen Texten Mehrsprachigkeit mit Heimatlosigkeit gleichgesetzt. Heimatlos, nicht heimisch, nicht dazugehörig zu sein, bewirkt ein Minderwertigkeits- und Verachtungsgefühl für sich selbst. Was dem Leser in den literarischen Texten begegnet, so lautet das Fazit der Studie, ist ein geballt negatives Image der Dolmetschergestalten. In nur sehr wenigen Fällen gilt der Dolmetscher als Brückenbauer oder Kulturmittler. Der Leser kann sich der ?Macht dieser Images? (Dyserinck) wohl kaum entziehen, diese Bilder prägen seine Vorstellung vom Dolmetscher und Dolmetschen und treten an die Stelle einer Realität, die zum einen vielleicht einfacher zum anderen aber auch viel komplexer ist, in jedem Fall aber ganz anders, wie zum Schluss der Arbeit deutlich gemacht wird, wo auf Forschungsarbeiten zum Thema Mehrsprachigkeit und Dolmetschen sowie auf dolmetschwissenschaftliche Untersuchungen zur Persönlichkeitsstruktur von Dolmetschern eingegangen wird, die in deutlichem Kontrast zu dem in den literarischen Texten vermittelten Bild stehen. Für die Lehre ist diese Studie insofern interessant, als es die Verantwortung der Ausbildungsinstitute und des Berufsstands ist, sich mit dem Bild vom unzuverlässigen oder unfähigen Dolmetscher auseinanderzusetzen. Professionalität und damit Qualität ist oberstes Gebot, sie allein bewirken Anerkennung. Diese wird heute in der Regel dem Konferenzdolmetscher gezollt. Doch beschränkt sich das Tätigkeitsfeld von Dolmetschern nicht auf Konferenzen. Dass das Phänomen Dolmetschen weitaus vielgestaltiger ist, wird in der Studie durch die Auseinandersetzung mit dem Community- und Gerichtsdolmetschen gezeigt. Die Arbeit möchte dazu anregen, verstärkt der Vielfalt des Phänomens Dolmetschen Rechnung zu tragen. Die Habilitationsschrift möchte auch dazu anregen, die ethisch-moralische Diskussion zum Rollenprofil sowie zur Verantwortung des Dolmetschers zu vertiefen. Das Thema Dolmetschen und Macht, das in dieser Untersuchung ausführlich diskutiert wird, bietet dafür eine Grundlage. Die Thematik Dolmetschen und Identität, die einen weiteren Schwerpunkt in der Arbeit bildet, bietet Anregungen für weiterführende Forschungsarbeiten zum Thema Eignung und Qualifikation. Die Arbeit versteht sich als Beitrag, den dolmetschwissenschaftlichen Diskurs durch die umfassendere Perspektive, die die Interdisziplinarität bietet, zu befruchten und gleichzeitig herauszustellen, dass diese Disziplin ihre eigenen Inhalte und ihren eigenen Forschungsgegenstand hat: das Dolmetschen. » weiterlesen» einklappen

Klassifikation


DFG Fachgebiet:
Literaturwissenschaft

DDC Sachgruppe:
Sprachwissenschaft, Linguistik

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